Jesus sieht sie

Erstellt am 20.08.2024

Von Bernhard Laß

Iserlohn-Roden. „… dass ich mit seinem Worte begrüß das neue Licht“

Jesus ist es, der die Frau in Not im Blick hat, sie ansieht und erlöst, so berichtet in der Erzählung von der Heilung der verkrümmten Frau (Luk. 13, 10-15). Jesus sieht sie, spricht sie an und legt ihr die Hände auf. Es ist der Text, über den Pfarrerin Bettina Roth-Tyburski in ihrem ersten offiziellen Gottesdienst in ihrer neuen Pfarrgemeinde in der Christuskirche am Roden in Iserlohn predigt.

„Da schweigen Angst und Klage; nichts gilt mehr als sein Ruf“

In den Blick genommen, gesehen werden und zu wissen: „Du bist nicht vergessen!“, mehr noch denn: „Du bist angenommen und geliebt“. In dem Liebesgedicht Scham, von Gabriela Mistral, heißt es: „Wenn du mich anblickst, werd' ich schön …“! Am Ende bittet sie den Geliebten: „Senk lange deinen Blick auf mich. Umhüll mich zärtlich durch dein Wort.“ Im zärtlichen Wort, das sie umhüllt, weiß sie sich wunderbar geborgen. Ein Gedicht, wie eine Übertragung des heutigen Predigttextes von der Heilung der gekrümmten Frau am Sabbat. Eine Erfahrung die Menschen besonders im Glauben erleben. Martin Luther hat diese Erfahrung so ausgedrückt: „Die Sünder sind schön, weil sie von Gott geliebt werden, nicht werden sie geliebt, weil sie schön sind.“

In ihrem ersten offiziellen Gottesdienst richten sich die Blicke der Gottesdienstbesucher und Gottesdienstbesucherinnen aus den Bänken im Kirchenschiff auch auf die neue Pfarrerin. Bettina Roth-Tyburski hat ihren Dienst zum 1. Aug. 2024 in der Christus-Kirchengemeinde aufgenommen und wird vom Presbyter Friedhelm Kowalski zu Beginn besonders begrüßt. Wie schön es für sie ist hier zu sein machte sie in ihrem Eingangsvotum deutlich, in dem sie sich für die bisherige freudige und freundliche Aufnahme in der Gemeinde und Region ganz herzlich bedankte.

„Schon an der Dämmrung Pforte ist er mir nah und spricht“

In ihrer Predigt berichtete sie aus ihrer langen seelsorgerlichen Arbeit, in der sie immer wieder erfahren hat, wie wichtig, hilfreich und erlösend es sein kann und wie gut es tut, wenn Menschen wahrgenommen, angesehen werden und für sie das (er-)lösende Wort gesprochen und von ihnen erfahren wird.

Es geht um eine Frau. Ihr Sohn hatte sich vor 30 Jahren das Leben genommen. Seitdem zermürben sie Selbstvorwürfe, hielt sie sich für einen schlechten, schuldig gewordenen Menschen, weil sie den Sohn nicht retten konnte. Sie hatte sich zurückgezogen, von Gott und der Kirche abgewandt. Jetzt, 30 Jahre, nach einem zermürbenden Leben, geschah es auf der Beerdigung ihres Mannes. Ein Wort aus der Ansprache der Pfarrerin hatte sie erreicht, angerührt, ins Herz getroffen. Es ermöglichte ihr ein zartes Öffnen und sie lud die Pfarrerin zu sich nach Hause ein. Sie erzählte lange und spürte, wie Gott ihr nach und nach die Fesseln der Selbst- und Schuldvorwürfe löste.

„Und siehe, eine Frau war da, die hatte seit achtzehn Jahren einen Geist, der sie krank gemacht hatte“ (Lk. 13, 11). Eingeschränkt, gebunden, innerlich gefangen und dadurch be- und gehindert aufrecht und frei zu sein. Es kam zu einer psychosomatischen Krankheit würden wir heute vielleicht sagen. Doch das Wort Jesu und sein Handauflegen hat die Macht und Kraft zu erlösen.

„Ich werde nicht zuschanden, wenn ich nur ihn vernehm, Gott löst mich aus den Banden …“

Es gibt viele Geschichten im AT und NT, die von der befreienden und (er)lösenden Macht Gottes erzählen. Gott löst und befreit die Gefangenen und richtet die Gebeugten auf, heißt es als Fazit an mehreren Stellen. Gottes Zusage seiner Liebe lässt uns erkennen, was ich im Blick seiner Liebe bin: Sein geliebtes Kind. Das kann ich mir nicht selbst zusagen. In der Traurigkeit über alles Belastende, das ich erlebe und in der Verzweiflung über mich kann ich mich nicht selbst trösten. Mut und Kraft, dem allen zu begegnen, kann ich nur begrenzt selbst aufbauen und vergeben kann ich mir selbst schon gar nicht. Es sind die Worte der Liebe und der Erlösung, trotz alledem, die ich hören und zugesagt bekommen muss. Sie helfen und richten mich auf, wenn es mir schlecht geht und ich mich nicht leiden und ertragen kann. Darin bin ich aufgehoben. Gottes Zusage, sein Wort gibt Mut und Kraft. Es befähigt die beiden Frauen, in der biblischen Heilungsgeschichte und in der Seelsorgegeschichte der Predigt, sich angenommen und geborgen zu fühlen und erneut Eigeninitiative zu ergreifen. Und wenn wir es hören auch jede und jeden von uns.

„Er ist mir täglich nahe und spricht mich selbst gerecht“

Jesu Nähe, seine stärkende und erlösende Zusage, die Gemeinschaft mit ihm und miteinander konnte die Gottesdienstgemeinde im anschließenden Abendmahl feiern und erfahren. Es ist ein Ort des Erfülltwerdens und des ständigen Neubeginns, auch für den nun gemeinsamen Weg in und mit der Gemeinde.

Beim anschließenden Kirchcafé gab es dann die Möglichkeit des Austausches mit der neuen Pfarrerin und untereinander.

Liedzitate aus „Er weckt mich alle Morgen“ EG 452

Fotos Bernhard Laß

 

Presbyter Friedhelm Kowalski bei der Begrüßung der neuen Pfarrerin

Pfrn. Bettina Roth-Tyburski bei der Begrüßung der Gemeinde während des Eingangsvotums

Pfrn. Bettina Roth-Tyburski bei der Predigt

Pfrn. Bettina Roth-Tyburski beim Abendmahl

Mahlgemeinschaft mit Christus und der Gemeinde

Verabschiedung der Gottesdienstbesucher und -besucherinnen

Segen und Entsendung