Von Bernhard Laß
Tagesschau, Nachrichten geschaut? Nein! Aktuelle Schlagzeilen aus der UNO, den Kriegsschauplätzen dieser Welt oder der Weltwirtschaft ploppen auf Ihrem Smartphone auf? Nein!
Möglich wäre es schon, denn jede dieser Nachrichten und Bedrohungen sind unsere täglichen Begleiter. Doch seit 507 Jahren zielen all diese Wörter, entnommen aus Luthers Lied: „Ein feste Burg ist unser Gott“, auf etwas anderes hin. Sie haben den Überwinder, Jesus Christus im Blick, der die Titel trägt: „umsichtiger Herrscher, mächtiger Held, ewiger Vater, Friedensfürst“ (Jes. 9,5). Mit niemand anderem kann man all dem Bösen begegnen: „das Feld muss Er behalten“. So hat Martin Luther es nicht nur geschrieben, sondern die Gemeinde hat es, begleitet vom Posaunenchor und der Orgel im Regionalgottesdienst der Christus-, der Emmaus- und der Letmather-Kirchengemeinde in der Friedenskirche in Iserlohn-Letmathe am Reformationstag gesungen.
Doch diese Seite Gottes, der Ort der Geborgenheit, des Schutzes und der Liebe, der den Sieg über den Tod für uns errungen hat, musste erst von dem Mönch Martin Luther in der intensiven und anstrengenden Auseinandersetzung mit sich selbst, der Bibel und seiner Kirche entdeckt werden. Denn von geliebt werden, angenommen sein, so wie ich bin, war für die als sündhaft erklärten Menschen zu Luthers Zeit nicht die Rede. Höllenangst bestimmte sein Leben, an dessen Ende ein strenges Gericht wartete, mit der Aussicht auf Fegefeuer und Folterqualen. Denn der damals von der Kirche verkündete Gott war ein zorniger Herrscher, dessen Strafe man nur durch Ablasszahlungen und entsprechende fromme Taten entgehen konnte.
„Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“, wenn ich doch weiß, dass ich als sündiger Mensch es nicht schaffen kann, perfekt, untadelig und ohne Schuld vor Gott zu leben? Bin ich dann nicht automatisch verdammt und verloren?
„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.“
„Für unsere Erlösung ist schon alles getan, allein aus Glauben durch die Gade Gottes!“, war die entscheidende Erkenntnis Luthers. Was sie für uns bedeutet wurde in der in drei Abschnitte geteilten Predigt erläutert, die von der Pfarrerin und Pfarrern der Pfarramtlichen Verbindung gehalten wurde. Den ersten Abschnitt hielt Pfr. Uwe Schulte:
Die Vorstellung, ich könnte mir meine Erlösung, meine Anerkennung vor Gott, verdienen, erkaufen oder irgendwie durch mein Zutun erreichen wurde von Luther als irrsinnig entlarvt, denn ich bin von IHM schon angenommen. Ich bin, so wie ich bin, sein geliebtes Kind. Seine innige Beziehung zu mir besteht, ich darf üben und lernen sie aufzugreifen und ihr zu vertrauen, so wie ich im besten Falle gelernt habe meiner Mutter und / oder meinem Vater zu vertrauen und mich bei ihnen geborgen zu fühlen.
Mit dieser Erkenntnis hat Martin Luther die gute Botschaft der Bibel ganz neu in den Mittelpunkt des Glaubens gerückt und das hat elementare Auswirkungen auf das Leben, wie Pfrn. Bettina Roth-Tyburski im zweiten Abschnitt der Predigt erläuterte:
2. Gerechtfertigt und Gerechtigkeit
Schuldgefühle sind wohl keinem Menschen fremd. In unserer Gesellschaft, die von Leistungsdruck, Effizienz und einer Ellenbogenmentalität geprägt ist, wird einem leicht das Gefühl, nicht zu genügen vermittelt. Schuldgefühle stellen sich ein, wo Menschen unter Druck gesetzt werden, sich ggf. selbst unter Druck setzen, falsch behandelt werden oder selbst falsch handeln.
Wenn ich mich ständig rechtfertigen muss, schnürt mich das ein, werde ich „klein und unfrei“. Doch Luther lehrt uns an einen Gott zu glauben, der mir zeigt: allein, weil es dich gibt, bist du es wert geliebt zu werden. Dein Gott ist ein Gott der frei macht. Er will dich durch seine Geistkraft stärken und dich in Bewegung setzen. Die Kirche ist ein Ort der befreienden Bewegung. Du kannst zu ihr kommen, so wie du bist. Sie ist ein Erlebnisort, an dem ich auf die Spur der Nachfolge finde, ohne darüber nachzudenken, ob ich genüge. Als Gottes Ebenbild bin ich gleich viel Wert wie alle Menschen es sind. Alle besitzen eine Würde ohne jeden Unterschied, denn darin besteht seine Gerechtigkeit.
Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.
Wer sich so geliebt und frei erlebt und diese Geborgenheit in Gott annehmen kann, der oder die kann gar nicht anders, als diese Liebe auch in Wort und Tat weiterzugeben und sich für die Freiheit einzusetzen. Pfr. Emmanuel Boango konnte das auch an Beispielen aus seiner Heimat, dem Kongo, aufzeigen:
3. Schlüssel: Freiheit
Es mag komisch klingen, wenn Luthers wichtige Erkenntnis: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.“ sodann für ihn zu der Erkenntnis führt: „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan“. Doch wenn ich mich geliebt und befreit fühle, werde ich auch in Liebe die Freiheit für alle anderen wünschen und danach leben. Das war auch die Erkenntnis in der Befreiungstheologie, die ausgehend aus Lateinamerika auch Afrika erreichte. Sie hat wesentlich zur Befreiung von der Unterdrückung, Entmündigung und Unterwerfung durch die Kolonialmächte beigetragen. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Steht daher fest und lasst euch nicht wieder ein Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Gal.5,1) Es ist dieser Ruf den Paulus an die Gemeinde richtet, der auch heute an die Gemeinde gerichtet ist. Der Inhalt des Reformationstags bedeutet dann auch immer wieder diesem Ruf zu folgen, als Kinder Gottes, der Freiheit und als Weltchristenheit.
„Gib den Boten Kraft und Mut, Glauben, Hoffnung, Liebesglut“ (Gesungen zu Beginn im Lied „Sonne der Gerechtigkeit“)
Sich mit diesen Erkenntnissen auf den Weg machen, im Glauben und damit auch auf dem eigenen Lebensweg und so zum Boten, zur Botin werden, sich erkennen zu geben, erfordert auch schon mal Mut und nicht selten eine Veränderung des eigenen Lebensstils. Doch sich dabei tragen zu lassen und Gott immer wieder zu bitten, dass er voran geht, wurde auch in dem Satz aus einem Gebet von Jan Hus, einem Vorgänger Luthers deutlich: „Wenn DU nicht ziehst, können wir nicht folgen“. Dazu half auch der Vortrag des Kirchenchores unter der Leitung von Christian Otterstein zu Beginn des Gottesdienstes, in dem es heißt: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe, Himmel und Erde werden vergehn. Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe, Liebe allein bleibt für immer bestehn.“
Fotos Bernhard Laß
1 Reformationsgottesdienst: In der Friedenskirche in Letmathe
2 Reformationsgottesdienst: Posaunenchor Letmathe – Oestrich
3 Reformationsgottesdienst: Kirchenchor Letmathe
4 Reformationsgottesdienst: zwei Prediger und eine Predigerin: v.l. Pfr. Uwe Schulte, Emmaus-Kirchengemeinde, Pfrn. Bettina Roth-Tyburski, Christus-Kirchengemeinde, Pfr. Emmanuel Boango, Kirchengemeinde Letmathe