Jubilate! Jubeln trotz alledem? Wenn eine Predigt auf die Probe stellt

Erstellt am 22.04.2024

Von Bernhard Laß

 

„Harte Schale, weicher Kern.“ Diese Kurzbeschreibung zweier Gegensätze galt der mitgebachten Venusmuschel, die an diesem besonderen Sonntag „Jubilate“, zur Versinnbildlichung der Botschaft des Heilshandelns Gottes in der Predigt eine Rolle spielte. Pfrn. Bettina Roth-Tyburski hatte sie für ihre Probepredigt aus dem fernen Japan vom Pazifikstrand mitgebracht. In diesem besonderen Gottesdienst wurde sie ein bildhaftes Symbol zum Anfassen, mit dem die komplexe Botschaft für alle griffig wurde.

„Gott will nicht diese Erde zerstören. Er schuf sie gut, er schuf sie schön.“

Pfrn. Roth-Tyburski ging Ostern mit ihrem Mann am Strand von Tokyo spazieren, die Stadt, in der sie Beide seit 2018 eine Pfarrstelle in der deutschsprachigen Gemeinde Tokyos bekleiden. Und sie staunten, als sie eine riesige Menge Venusmuscheln, angespült auf dem Sand entdeckten. Ein großartiges Bild von Schönheit breitete sich vor ihnen aus. Doch sehr schnell wurde ihnen klar, dass es einen unguten Grund für dieses Phänomen gab. Die Erwärmung des Pazifischen Ozeans durch den Klimawandel zerstört die Lebenswelt der Venusmuschel. „Da ist uns der Jubel über die Schönheit der Muscheln im Halse stecken geblieben“, sagt sie.

Eine Erfahrung, die sie in ihrer Vorbereitung für die Probepredigt an diesem Sonntag „Jubilate“ begleitete. Kann man bei all den Problemen und Krisen in denen wir gesellschaftlich, politisch und persönlich stecken und mit denen wir leben jubeln? Und wenn ja, wie und warum?

„Gott hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn.“

Eine Zerrissenheit, die viele Menschen heute umtreibt und die doch eine Erfahrung der Menschen über Jahrtausende hinweg ist. Auch im Predigttext aus dem 2. Brief an die Korinther weiß Paulus um die Zerrissenheit in der dortigen Gemeinde. Die von Jesus gemachten Zusagen treffen so, wie sich die Menschen es sich vorgestellt haben, nicht ein. Seine Wiederkunft bleibt aus, eine Christenverfolgung hat eingesetzt. Verzweiflung und Enttäuschung sind die Folge. Paulus stellt sich dieser Realität, leugnet sie nicht und steht den Menschen in Korinth bei. Aber er hat der Verzweiflung und der Zerrissenheit etwas Entscheidendes entgegen zu setzten. Paulus denkt und lebt von Ostern her. Ostern? „Das Geschehen der Auferstehung Jesu, dass viele, damals wie auch heute, kaum drei Wochen nach Ostern, gefangen vom Blick auf die Alltagssorgen, schon wieder vergessen haben“, so Pfrn. Roth-Tyburski. Das eine Ereignis der Zuversicht, dass nichts so bleibt wie es ist, weil Gott alle Betrübnis in seinem Heilswillen umkehren wird. Die Auferstehung Jesu hat es besiegelt. „Gottes heilende und wieder herstellende Kraft wird von Menschen durch die Geschichte hindurch in seinem schützenden, tröstenden, bewahrenden und wegweisenden Handeln erfahren. Im Manna in der Wüste und den Heilstaten, die er in Jesus vielfach gezeigt hat und auch heute, wenn Lebensentwürfe zerbrechen und wieder neu gelingen“, weiß Pfrn. Roth-Tyburski in konkreten Beispielen zu berichten.

„Gott will mit uns die Erde verwandeln. Wir können neu ins Leben gehen.“

In dem Konflikt von Soll und Sein im „schon jetzt und noch nicht“, weist Paulus auf die Hoffnung hin, die in der Auferstehung zugesichert und geschenkt ist. Auch wenn sie in der sichtbaren Welt noch vielfach unsichtbar ist, wie man es vielleicht im Bild der Muschel sehen kann. Die Härte der Schale kann man als die Zerrissenheit unserer Welt, die sichtbare Welt, sehen. Und das Weiche im Inneren als die noch unsichtbare Zusage Gottes, die aber schon jetzt, wie das noch nicht sichtbare Fleisch der Muschel, in dieser Welt gegenwärtig ist. Sie ist eben keine Vertröstung auf eine wie auch immer geartetes Jenseits.

„Darum verliere ich nicht den Mut. Die Lebenskräfte, die ich von Natur aus habe, werden aufgerieben; aber das Leben, das Gott mir schenkt, erneuert sich jeden Tag. … Ich baue nicht auf das Sichtbare, sondern auf das, was jetzt noch niemand sehen kann. Denn was wir jetzt sehen, besteht nur eine gewisse Zeit. Das Unsichtbare aber bleibt ewig bestehen.“ So bekennt Paulus seine berechtigte Hoffnung im 2. Kor. 4,16.18 nach dem Text in der Gute Nachricht Bibel von 2018.

Und damit die Gemeinde sich diese Gewissheit immer wieder neu ins Bewusstsein rufen und sich an die Zusage und die Gegenwart von Gottes Heilshandeln erinnern kann, hat Pfrn. Roth-Tyburski für jede und jeden eine Venusmuschel vom Pazifikstrand in Japan mitgebracht, die nach der Predigt in Körben durch die Reihen gereicht werden, so dass man sich eine aussuchen kann. Sie erinnert daran: „Den Gegensatz zwischen Zweifel und Hoffnung aufzulösen braucht Mut. Gottes Zusage und sein Heilshandeln in der Auferstehung Jesu hat uns stark gemacht diesen Mut zu ergreifen“, so Pfrn. Roth-Tyburski.   

Nachdem das Orgelnachspiel verklungen ist und alle aufstehen, war der Vormittag aber lange noch nicht zu Ende. Denn bei einem sich anschließenden Kirchencafé gab es im Gemeindesaal noch ein Predigtnachgespräch und die Möglichkeit die Kandidatin persönlich zu befragen. Doch schon beim Ausgang aus der Kirche waren die ersten Rückmeldungen zu hören: „Danke für die bildreiche Predigt, ich konnte mich da wirklich gut drin wiederfinden und viel mitnehmen.“

„Gott gab und Atem, damit wir leben, er gab uns Augen, dass wir uns sehn.“

Pfrn. Bettina Roth-Tyburski bedankte sich im Gemeindesaal für die warmherzige Aufnahme, die sie auch schon am vorausgegangenen Freitag beim Gemeinde-Feierabendmahl erleben durfte. Die freundliche und offene Art der Begegnungen mache ihr noch mehr Lust in dieser Gemeinde aufgenommen zu werden.

Die Wahl einer Pfarrperson wird am 07. Mai 2024 von den drei in der Pfarramtlichen Vereinigung zuständigen Presbyterien, der Christus-Kirchengemeinde, der Emmaus-Kirchengemeinde Oestrich-Dröschede und der Evangelischen Kirchengemeinde Letmathe durchgeführt.

Fotos Bernhard Laß

Pfr. Bettina Roth-Tyburski bei der Begrüßung

Pfr. Bettina Roth-Tyburski bei der Predigt, Bild 1

Pfr. Bettina Roth-Tyburski bei der Predigt mit Muschel, Bild 2

Pfr. Bettina Roth-Tyburski bei der Predigt mit Muschel, Bild 3

Jede und jeder darf sich eine Muschel aussuchen

Bewahrt und Geborgensein wie in einer schützenden Muschelschale

Der Segen

Verabschiedung und Rückmeldungen aus der Gemeinde

Beim Kirchencafé mit dem Gespräch mit der Bewerberin

Interview und Befragung der Bewerberin

Zuhören können und auf Fragen warten

Befragung der Bewerberin - Rede und Antwort stehen

Erwartungsvolle Gesichter!