Von Bernhard Laß
Iserlohn. „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“
Wenn ein Mensch sein Leben im christlichen Glauben gegründet hat, kann die Staatsform, in der er leben will, eigentlich nur die Demokratie sein. So könnte man die Quintessenz dieses außergewöhnlichen Gottesdienstes in der Christuskirche am Roden in Iserlohn zusammenfassen. „Der christliche Glaube ist eine Religion der Freiheit“, sagte Pfr. Neuser in seiner Predigt am Sonntag.
„Die Erde ist des Herrn. Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben. Drum sei zum Dienst bereit, gestundet ist die Zeit, die uns gegeben.“
Es war ein Gottesdienst in dem an die Revolutionärinnen und Revolutionäre vor 175 Jahre, im Jahr 1849 erinnert wurde und eine Würdigung ihres Einsatzes für die Demokratie im Mittelpunkt stand. Eröffnet wurde er mit dem Orgelstück „Die Himmel rühmen“, von Beethoven, der lange begeisterter Anhänger der Revolution war. Durch die musikalischen Beiträge von Tom Köhler, Orgel und Regina Malms, Geige wurde die Verkündigung des Tages vertont untermauert.
Erneut wurde deutlich, dass das christliche Menschenbild, mit der Erkenntnis, dass der Mensch eine unantastbare und unverfügbare Würde besitzt, die in der Ebenbildlichkeit Gottes, den Taten, Zusagen, Erwartungen und Verheißungen Jesu begründet liegt, mit zu unserer heutigen Staatsform beigetragen hat. Ihm verdanken wir ein Leben in vielfältiger Freiheit, dem Anspruch von Gerechtigkeit, Menschenwürde, freier Meinungsäußerung, Pressefreiheit, Festschreibung entscheidender Werte im Grundgesetzt und vielem mehr.
„Gebrauche deine Kraft. Denn wer was Neues schafft, der lässt uns hoffen. Vertraue auf den Geist, der in die Zukunft weist. Gott hält sie offen.“
Dafür haben unsere Vorfahren über Jahrhunderte gekämpft und viele ihr Leben gelassen. Dass ein Leben in der gegenwärtigen Demokratie immer wieder aktiv erhalten, belebt und gegen seine Feinde verteidigt werden muss, daran wurde am Sonntag mit vielen Beispielen aus der Geschichte erinnert. Gefunden hat sie Pfr. Bernd Neuser im Kirchenarchiv in Iserlohn, das Material aus der Zeit der Revolution von 1849 und darüber hinaus gesammelt hat und über den Einsatz und Kampf von Menschen und der ev. Kirche für die Demokratie in Iserlohn Auskunft gibt.
Gut aufgearbeitet wurde es von einer Dreiergruppe aus Diana Gräfer, Anne Hahne, und Holger Lüders gemeinsam mit Pfr. Bernd Neuser vorgetragen.
So wurde u.a. die stellvertretende Iserlohner Bürgermeisterin Renate Brunswicker zitiert, die 1999 in einem Grußwort zum 150. Jahrestag zu den Revolutionstagen 1849 in Iserlohn sagte: „Die Revolutionstage in Iserlohn sind Zeugnis für das Bemühen vieler Iserlohner Bürger, die sich zusammengetan haben, um die Ideale zu verwirklichen, denen wir alle heute in besonderer Weise verpflichtet sind.“
Dabei war die Revolution 1849 so gut wie gescheitert, denn die Verfassung und die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche wurden vom preußischen König nicht anerkannt.
Auch in Iserlohn waren die Hoffnungen groß gewesen. Immerhin wurde die Revolution vom offiziellen Iserlohn wie auch von Seiten der Kirchen durchweg begrüßt. So wurde die Beendigung aller demokratischer Prozesse in Berlin als Verrat empfunden. Darum versuchte man 1849 nun in Iserlohn das Blatt doch noch zu wenden.
„Geh auf den andern zu. Zum Ich gehört ein Du, um wir zu sagen. Leg deine Rüstung ab. Weil Gott uns Frieden gab, kannst du ihn wagen.“
Forderungen waren:
1. Gesetzgebung und Verwaltung durch das Volk! Allgemeines Wahlrecht und allgemeine Wählbarkeit in Gemeinde und Staat.
2. Unbedingte Freiheit der Rede und der Presse
5. Schutz der Arbeit und Sicherstellung der menschlichen Lebensbedürfnisse für Alle.
6. Vollständige Erziehung aller Kinder auf öffentliche Kosten.“
Und speziell in Iserlohn war eine wichtige Forderung, die Kinderarbeit für Kinder unter 12 Jahren zu beenden.
Doch auch in Iserlohn wurde die Revolution blutig niedergeschlagen. „Am 17. Mai 1849 waren in der Obersten Stadtkirche 29 Tote aufgebahrt. Sie waren Opfer der Ausschreitungen preußischer Soldaten bei der Einnahme der Stadt“, wusste die Dreiergruppe im Gottesdienst zu berichten.
Wie ist es heute? Ist die Demokratie bei uns in unserer Gegenwart gefährdet? Als wäre er an uns heute geschrieben, gaben der Predigttextes aus dem Galaterbrief, Kapitel 5, die Verse 7-10, Antworten auf die gerade gestellte Frage.
„Ihr lieft so gut. Wer hat euch gehindert, der Wahrheit weiter zu gehorchen? Solches Überreden kommt nicht von dem, der euch berufen hat. Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig. Ich habe das Vertrauen zu euch in dem Herrn, ihr werdet nicht anders gesinnt sein. Wer euch aber irremacht, der wird sein Urteil tragen, er sei, wer er wolle.“
„Verlier nicht die Geduld. Inmitten aller Schuld ist Gott am Werke. Denn der in Jesus Christ ein Mensch geworden ist, bleibt unsre Stärke.“
Hetze, Hass, Bedrohungen, Spaltungsversuche, Verschwörungstheorien machten schon bei den Galatern die Runde und der 2000 Jahre alte Text erinnert an die Situation von heute. „Was treibt Menschen dazu, Populisten zu folgen und - oft sehenden Auges – ihre demokratische Freiheit aufzugeben? Das Thema Demokratie kann uns wirklich umtreiben, seit der Populismus alle roten Linien überschreitet, ob in der internationalen oder der bundesdeutschen Situation. Wir sollten uns davor hüten, uns anstecken zu lassen. Rechtsradikale Politiker streuen immer wieder feindselige Begriffe in ihre Reden, oft aus der Zeit des III. Reiches, in der Hoffnung, dass sie Nachahmer finden“, so Pfr. Neuser.
„Das tut, das tut was dazu“
Doch wer glaubt, braucht nicht zu resignieren. Im Glauben erscheint die Welt im Licht der Ewigkeit Gottes. Das rückt manche politischen Fragen heilsam zurecht.
Und gerade dennoch und darum sollen wir aktiv sein. Sollen uns einsetzen für eine demokratische, gerechte Gesellschaft. Damit keiner verloren geht und jede eine Stimme hat. Und wir sollen auch in unseren Kirchengemeinden die Demokratie einüben. Darum: Sei demokratisch mit brennender Geduld und protestantischer Nüchternheit – und widersprich tapfer allen, die Wahrheiten willkürlich verbiegen. (vgl. „Dein Glaube – Deine Demokratie!“ Ein protestantischer Aufruf zur Stärkung der Demokratie der Kammer der EKD für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend.2024)
Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit von uns Menschen ist nicht entscheidend. „Ob wir rote, gelbe Kragen - Helme oder Hüte tragen Stiefel tragen oder Schuh' … Das tut, das tut nichts dazu!“ Aber ob wir in der Nachfolge Christi das Gebot der Liebe leben, das tut, das tut was dazu. „Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“
Was das im Alltag bedeutet, machte Pfr. Neuser mit seiner Gitarre auf der Kanzel zum Abschluss der Predigt durch den Vortrag des „Bürgerliedes“ deutlich, das 1845 von Adalbert Harnisch gedichtet wurde.
Der Gottesdienst kann in Teilen als Podcast hier angehört (https://christus-iserlohn.ekvw.de/predigten/) und die Beiträge zur Geschichte der Revolution in Iserlohn und die Predigt können als PDF nachgelesen werden.
Zeugniss und Texte zur Geschichte der Revolution in Iserlohn
Fotos Bernhard Laß
Pfr. Bernd Neuser bei der Predigt
Das "Bürgerlied" Vortrag von Pfr. Bernd Neuser mit Gitarre.
Vortrag: Auszüge aus der Revolutionsgeschichte in Iserlohn Diana Gräfer, Holger Lüders und Anne Hahne