Israelsonntag – Wie kann man ihn begehen?

Erstellt am 06.08.2024

Von Bernhard Laß

Iserlohn-Roden. Sehnsuchtsorte. Besonders der Sommer ist die Zeit der „Völkerwanderungen“. Menschenströme sind unterwegs, gleich einer Wallfahrt zu den Orten ihrer Erfüllung.

Das gelobte Land

Ganz gleich ob sie zum Festival „Parookaville“, den Olympischen Spielen nach Paris, zum Konzert von Adele nach München pilgern oder ob sie im Flieger sitzen, um den lang geplanten Sommerurlaub auf Mallorca oder an der türkischen Küste zu verbringen, ihr gemeinsames Ziel ist der Ort, an dem ihre Sehnsucht Erfüllung finden soll.

Weg sein, eintauchen in eine andere Welt. Eine Auszeit nehmen, von aller Routine, heraus aus den Mühlen des Alltags mit all seinen Aufgaben, Mühen und Sorgen. Hinein in das Leben, es spüren. Geborgenheit finden, loslassen und einfach nur sein. Leichtigkeit spüren, glücklich und fröhlich sein und dabei eins werden mit allem, wie der Tropfen mit dem Wasser im Ozean. Aufgehoben, geborgen, umhüllt, das kann ganz leise geschehen oder auch laut und wild.

Keine Nachrichten hören und sehen, Kriege, Krisen, Ampelstreitigkeiten einfach mal wegschieben, bis der Vorhang der Weltbühne nach ein paar Tagen oder Wochen wieder aufgeht.

Szenenwechsel – Sehnsuchtsort Shalom

Die Gemeinde sitzt in der Christuskirche am Roden in Iserlohn im Gottesdienst. Es ist die 5. Sommerkirche in der Region. Sie sind gekommen von Westen und Osten, von Süden und Norden, den Gemeinden der neuen Region im Pfarrverbund, gleich einer kleinen Wallfahrt etwas den Berg hinauf, hinein in die Christuskirche.

Am 10. Sonntag nach Trinitatis feiern die Kirchen der EKD den Israel-Sonntag.

Der Israelsonntag erinnert an das enge Verhältnis von Christen und Juden. Mit seiner langen und wechselhaften Tradition bietet er den christlichen Gemeinden eine Gelegenheit, sich mit den jüdischen Wurzeln ihres Glaubens auseinanderzusetzen. Jesus selbst war wie seine Jünger Jude. Die Trauer über das Unrecht, das Juden im Laufe der Geschichte angetan wurde; die Schuld die Christen und die Kirche auf sich geladen haben und die Beziehungen zwischen Juden und Christen im Glauben an denselben Gott stehen aber auch das Bekenntnis zur bleibenden Erwählung Israels stehen an diesem Tag im Mittelpunkt der Gottesdienste. (Aus einem Text der EKD zum Israelsonntag in Auszügen) Paulus sagt es im Römerbrief im Kap. 11, Vers 18 ganz klar: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“

So wichtig diese Hinweise zur Grundlage dieses Sonntags sind, so lässt das Stichwort Israel in diesen Tagen einen weiteren Film im Kopf vieler Menschen ablaufen.

Der Film im Kopf

Ein Film fast so wie im Refrain des Liedes von Jürgen Werth, aus dem Jahr 1984, das seine Aktualität leider nicht verloren hat und im Gottesdienst, eingeübt und begleitet von der Organistin Uta Renfordt, gesungen wurde.

Wo bist Du Schalom? Lebst Du noch, Schalom?

Wer hat dich vertrieben, jagte heimlich dich davon? Hör das Schrei‘n, Schalom! Kehr zurück, Schalom! Lehre Deine Kinder wieder leben, wieder lieben. Und dann bleib doch hier und lauf nie mehr davon!

Wie soll man sich in dieser Situation des Terrors und der Greul an Israel und der gegenwärtigen Entwicklung des Krieges im Gaza zu Israel positionieren? Kann Jerusalem und Israel noch ein Sehnsuchtsort, ein Identifikationspunkt für Christen sein?

Es ist die Frage, die sich auch die Gruppe aus Prädikant Johannes Schulte zusammen mit Gemeindegliedern der WegGemeinschaft und Pfr. Emmanuel Boango gestellt hat, als sie den Gottesdienst zum heutigen Sonntag vorbereitet haben. Ihnen war klar, es gibt nicht die eine Position und das wollen sie in den Gottesdienst einbringen. Mitten aus der Gemeinde stehen Mitglieder der WegGemeinschaft an unterschiedlichen Plätzen auf und tragen Sichtweisen vor, die zur Diskussion beim anschließenden Kirchcafè Anstoß geben wollen. Hier zusammengefasst notiert:

1. Gott hat Israel als sein eigenes Volk erwählt. Das ist Kern des Alten Bundes, auf dem der neue Bund beruht und ist eine Zumutung für die Nationen.

2. Die israelische Politik und das, was im Gaza passiert, ist schwer zu verstehen und auszuhalten und lässt einen auf Distanz gehen. Wo ist die Verhältnismäßigkeit?

3. Rechtsextreme und Islamisten sowie Gegner Israels im Nahostkonflikt mit Auslöschungsfantasien bedrohen jüdisches Leben vor Ort und weltweit, sich dagegen zur Wehr zu setzen ist legitim.

4. Antisemitismus ist Judenfeindschaft, die auf Vorurteilen, Legenden und Lügen beruht. Sie diffamiert Juden pauschal und schreibt ihnen bestimmte Eigenschaften und Merkmale zu, denen es zu widersprechen gilt.

Jerusalem ein Sehnsuchtsziel

Israel mit Jerusalem ist ein Sehnsuchts- und Pilgerort. Doch die meisten Reisen dort hin sind in diesem Jahr wie schon zu anderen Konfliktzeiten ausgefallen.

Stadt des Friedens, Stadt der Gewalt, Stadt des stolzen Glaubens, Stadt der Heuchelei. Wie oft hast Du mit Tränen bezahlt, dass Du Gott nicht geehrt hast, nicht gewollt, nicht mal gehört hast, ihn, der Frieden macht und frei.

Die Völkerwanderung, die Wallfahrt nach Jerusalem hat nicht touristisch und nicht aus Glauben an den einen Gott stattgefunden und doch ist sie eine zentrale Verheißung zur Befriedung und Befreiung von Konflikten der Region, ja der Welt, seit Jahrtausenden, wie sie der Predigttext aus Sacharja 8, 20-23 beschreibt:

„So spricht der Herr Zebaot: Völker werden sich auf den Weg machen, Einwohner großer Städte werden kommen. Die einen werden zu den anderen sagen: »Auf, lasst uns nach Jerusalem pilgern!“

Und nicht, um Jerusalem zu erobern, sondern um in friedlicher Gemeinschaft Gott zu verehren!

Und das hat einen tiefen Grund, den Prädikant Johannes Schulte in seiner Predigt entfaltet, die in den Zuhörenden den Wunsch beflügelt auch dabei sein zu wollen.

Sacharja verkündigt den Menschen in Jerusalem, die sich von Gott verlassen fühlten, seine Weissagung. Es ist die Zeit um 520 v. Chr.

Das Volk, zumindest einige, waren aus dem babylonischen Exil nach rund 70 Jahren zurückgekehrt. Doch ihre Lebenssituation war schlecht. Die Stadt Jerusalem war noch immer zum großen Teil zerstört. Alles war voller Schutt. Die Stadtmauer war eingerissen. Nach und nach begannen sie den Tempel wieder vorsichtig aufzubauen. Eine deprimierende und verzweifelte Zeit. Die Menschen hatten wenig Erwartungen für die Zukunft, denn Gott hatte sich von ihnen abgewandt.

Stadt des Friedens, Stadt der Gewalt, Sinnbild aller Städte, Sinnbild dieser Welt. Verzweifelst suchst du Hoffnung und Halt. Hör zu, du suchst vergebens, suchst du nicht den Herrn des Lebens, der dich machte, dich erdachte und erhält.

Hoffnung bekommen – Antwort wagen

Doch die die Präsenz Gottes ist der Garant für das Wohlergehens Jerusalems und für den Frieden zwischen den Völkern. Sein Zurückkommen, sein sich erneut zum Volk Israel wenden kann Sacharja verkünden. Die erneute Hinwendung ist Gottes eigene Entscheidung, doch die setzt auf die Antwort seines Volkes durch Zuversicht, gegenseitige Fürsorge und das Halten der Gebote, die Sacharja mit der Verehrung Gottes und der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit unverbrüchlich verknüpft.

Wo das umgesetzt ist, werden die Menschen und Völker sehen: Gott ist mit Israel. Er ist der Garant für Wohlergehen und Frieden. Zu diesem Gott wollen auch wir gehören. Und so kommen sie von allen Enden der Erde, ergreifen den Zipfel ihres Gebetsschals und sagen zu den Juden, die auf dem Weg nach Jerusalem sind: »Wir wollen mit euch gehen! Denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist.« Ganz so, wie es auch die Menschen bei Jesus getan haben.

Diese endzeitliche Verheißung besteht und lässt die Menschen in Israel weiter hoffen und uns mit ihnen, wie es auch uns durch Jesus und in der Offenbarung verheißen ist.  Denn gemeinsam ist uns der Glaube an den einen Gott und die Erwartung der Ankunft / Wiederkunft des Messias, durch den Gott sein Friedensreich bei den Menschen errichten wird, so Prädikant Johannes Schulte.

Gott ist mit Israel.

Das kleine Land ist und die Juden sind nach Vertreibung, Zerstreuung, den wiederkehrenden Greul und Pogromen und gegenwärtigen Ankündigungen es zu vernichten, immer noch da. Es ist bestimmt, damit sich Gottes Verheißung an ihm erfüllt.

Prädikant Johannes Schulte sieht deshalb deutlich: Mit Israel gehen als Christ heißt dann heute,

  • widersprechen, wo Hass und Judenfeindlichkeit gelebt wird.
  • diejenigen Juden unterstützen, die für Frieden in Israel und mit seinen Nachbarn eintreten
  • selbst hier und überall für die Hoffnung auf Frieden zwischen den Religionen und Völkern aktiv eintreten
  • sich den Segen, der vom Gott Israels ausgeht, schenken lassen und weitergeben, da er auch unser Gott ist.
  • Auf diesen Gott hinweisen und einladen mit zu ihm zu kommen und seinen Shalom zu unterstützen.

All das floss dann auch in das abschließende Fürbittengebet ein, in dem für die von dem Krieg in Gaza und Israel Betroffenen, für die Gequälten der Judenverfolgung, den Flüchtlingen und Vertriebenen, die jüdisch-christliche Zusammenarbeit, und ein Ende von Rassenhass und Menschenverachtung, Krieg und Verfolgung gebetet wurde und um die Erkenntnis, dass jeder Mensch Gott heilig ist.

Wo bist Du Schalom? Lebst Du noch, Schalom?

Wer hat dich vertrieben, jagte heimlich dich davon? Hör das Schrei‘n, Schalom! Kehr zurück, Schalom! Lehre Deine Kinder wieder leben, wieder lieben. Und dann bleib doch hier und lauf nie mehr davon!

Neben den Diskussionen beim Kirchcafé konnten die Gemeinde auch mit ihrer neuen Pfarrerin Bettina Roth-Tyburski das Gespräch suchen, die zum 1. August das Pfarrhaus an der Christuskirche mit ihrem Mann, Marcus Tyburski bezogen hat und nun die Arbeit in der Gemeinde und der Region aufnimmt. Zu Beginn wurde sie mit einem großen Applaus im Gottesdienst begrüßt.

 

Fotos Bernhard Laß

Einladung zum Israelgottesdienst

Positionen und Gedanken zu Israel. Bei den Fotos fehlt Jakob Rieck

Organistin Uta Renfordt am Flügel

Prädikant Johannes Schulte

Gemeinsames Fürbittengebet: v.l. Brigitte Kaschube, Martina Wolf-Hartwig, Karin Werner, Anne Kluge, Präd. Johannes Schulte, Jakob Rieck, Pfr. Emmanuel Boango

Pfrn. Bettina Tyburski wird mit großem Applaus begrüßt